Mark Riklin
Philosoph und Glücksforscher
riklin@gmx.de

«Only bad news are news» scheint in unserer Gesellschaft über die Medien hinaus ein weit verbreitetes ungeschriebenes Gesetz zu sein. Als Gegenpol zu dieser defizitorientierten Rhetorik rief Mark Riklin, freischaffender Journalist, Dozent und Soziologe, 2003 in St.Gallen die erste «Meldestelle für Glücksmomente» ins Leben. Nicht um die Probleme und Herausforderungen unserer Welt schönzureden, sondern um auch vom Schönen zu reden. Inzwischen sind mehrere Tausend Meldungen und Geschichten des Gelingens eingegangen. Die Idee findet bis heute Nachahmer, sei dies seit 2007 in Wien oder seit 2014 als Angebot des Bereichs «Psychische Gesundheit» der Perspektive Thurgau.

Weitere Informationen und Interviews

Am Dienstag, 20. März 2018 war Internationaler Tag des Glücks. In der Sendung SRF Nachtclub wurde auch unsere Meldestelle für Glücksmomente erwähnt und Beatrice Neff zum Thema Glücksmomente sowie allgemein zur Psychischen Gesundheit interviewt.

Das Gespräch können Sie hier nachhören:

Thurgauer können neu ihre Alltagsfreuden der Meldestelle für Glücksmomente der Perspektive Thurgau schicken. Mark Riklin, Erfinder der Meldestelle, sagt: «Glück zu haben allein reicht nicht, man muss es auch noch merken.»

KATRIN ZÜRCHER

Herr Riklin, sind Sie ein glücklicher Mensch?

Mark Riklin: Glücklichsein ist kein Dauerzustand. Glück und Unglück bedingen sich gegenseitig wie Licht und Schatten. So bin ich immer wieder mal glücklich, dazwischen kenne ich verschiedenste Schattierungen von Stimmungen.

Sie haben 2003 in St. Gallen die erste Meldestelle für Glücksmomente gegründet und leiten sie seither. Wie kam es dazu?

Riklin: In meiner Arbeit als Journalist, Pädagoge und Soziologe habe ich festgestellt, dass der Grundsatz «Only bad news are news» nicht nur für die Medien, sondern für unsere oft defizitorientierte Gesellschaft als Ganzes gilt. Statt dies zu beklagen und damit ins gleiche Muster zu verfallen, wollte ich einen Ort lancieren, der positive Nachrichten sammelt, wertschätzt und öffentlich macht.

Welche Glücksmomente der mehreren tausend, die Ihnen in den vergangenen elf Jahren gemeldet wurden, haben Sie besonders beeindruckt?

Riklin: In Zusammenarbeit mit Pro Infirmis machte ich vor einem Jahr eine Sammlung von Glücksmomenten bei Menschen mit Beeinträchtigungen. Einige Beispiele der festgehaltenen Glücksmomente: «Als sich mein Tumor um drei Millimeter verkleinerte. Wenn ich die Wäsche machen kann und dabei einen Lohn erhalte. Wenn ich mit meinem Pfeil und Bogen die Welt um mich herum vergesse.»

Welches war heute Ihr schönster Glücksmoment?

Riklin: Der Stolz meiner Tochter Amira, die diese Woche im Kindergarten Wetterchefin sein darf. Oder die Vorfreude meiner Tochter Malena auf ihren morgigen Geburtstag. Und die meine, an diesem Tag einen freien Tag einziehen und mitfeiern zu können.

Die Meldestelle für Glücksmomente wird auch in Deutschland, Österreich und Holland kopiert. Wie erklären Sie sich Ihren Erfolg?

Riklin: Ressourcen- und lösungsorientierte Ansätze scheinen dem Zeitgeist zu entsprechen. So ist beispielsweise in Wien eine «Mutmacherei» entstanden, die Zuversicht für den Wandel schafft. Meine Philosophie ist das Lob der Kleinheit; Veränderungen beginnen oftmals im Kleinen.

Bringt Ihnen Ihre Idee Geld ein?

Riklin: Nein, die Meldestelle ist unverkäuflich. Wenn sie jemand kopieren will, ist dies unter bestimmten Bedingungen erwünscht. Im Fall der Perspektive Thurgau hat das bestens geklappt, ich bin zufrieden mit der neuen Meldestelle.

Was bringt es, Glücksmomente zu melden?

Riklin: Die Meldestelle trägt auf spielerische Art dazu bei, das Bewusstsein für Geschichten des Gelingens zu schärfen. Ich bin immer wieder überrascht, wie wenig geübt Menschen sind, das kleine Glück am Wegrand ihres Lebens zu erkennen und wertzuschätzen. Glück haben allein reicht nicht, man muss es auch noch merken.

Wie reagieren die Leute auf Ihre Meldestelle?

Riklin: Mehrmals war die Meldestelle auf Bahnhöfen zu Gast, unter anderem in Romanshorn. Reisende reagieren häufig mit Schmunzeln oder wohlwollendem Kopfschütteln, also mit einer Mischung aus Sympathiebekundung und Irritation. Aus meiner Sicht ist das wunderbar, sind doch Fragen oft das Vorzimmer der Erkenntnis.

Philosoph Arthur Schopenhauer sagte: «Die Welt ist meine Vorstellung.» Wird die Welt besser, wenn Menschen statt Unglück vermehrt Glück wahrnehmen?

Riklin: Ein Stück weit haben wir die Welt, die wir uns denken und selber konstruieren. Wenn wir auch dort Wasser giessen, wo etwas funktioniert, kann es weiterwachsen. Was auf keinen Fall heissen soll, Probleme zu negieren: Statt schönreden will die Meldestelle für Glücksmomente vom Schönen reden.

Konferenz des Center for Storytelling, 2012

FRAUENFELD – „Wenn mein Mann die Wäsche aufhängt. – Haarscharf an einem Skiunfall vorbeischrammen. – Als mein Vater sterben durfte, ohne länger leiden zu müssen.“ Pausenlos greift Luc Hüttenmoser in die Tasten der „Underwood“, reiht Satz an Satz und fühlt sich wie „ein moderner Mozart“, wie der 15-Jährige sagt. Anlässlich des Internationalen Tags des Glücks sammeln Jugendliche der SBW Secundaria Frauenfeld unter Leitung von Bettina Poljak über hundert Variationen des Glücks und überreichen diese auf dem Rathausplatz an Gesundheitsministerin Elsbeth Aepli (Stadtrat Frauenfeld) und Beatrice Neff (Perspektive Thurgau). Fazit der Sammlung: Glück haben allein reicht nicht, man muss es auch noch merken.

Tagblatt Online: 21. März 2015, 02:46 Uhr

Der Frühling bringt Frauenfeld das Glück

Mitten im Glück: Stadträtin Elsbeth Aepli und Meldestelle-Erfinder Mark Riklin mit den Glücksmomenten. (Bild: Mathias Frei)

Mathias Frei

Glück ist, wenn in der Badi Warmwasser-Tag ist, wenn man eine Lehrstelle gefunden hat, wenn man im Jassen gewinnt, wenn man den Zug nicht verpasst, wenn man beim Skifahren nicht verunfallt. Glück ist vieles. Das wird einem bewusst, wenn man kurz innehält, wenn man merkt, dass man Glück hat – zum Beispiel gestern am Internationalen Tag des Glücks. Rund 200 Glücksmomente sind zusammengekommen, gesammelt von den Schülerinnen und Schülern der SBW Secundaria, daheim und auf den Frauenfelder Strassen.

Glück für die Stadträtin

Am Sämannsbrunnen macht die Meldestelle für Glücksmomente Halt. Hier tippen die Jugendlichen Glücksmomente ab und schreiben sie auf eine grosse Papierrolle. Die Schreibmaschinenblätter bekommt Beatrice Neff, Angebotsleiterin Psychische Gesundheit bei Perspektive Thurgau. Die Papierrolle ist für die Stadt, eine vor Glück strahlende Stadträtin Elsbeth Aepli nimmt sie entgegen. Ihr persönlicher Glücksmoment diese Woche ist, dass ihre jüngere Schwester Grossmutter geworden ist. An der Papierrolle voll Glück sollen vorerst auch ihre Stadtratskollegen teilhaben können. Aber wenn im Sommer dann die neuen Büros ihres Departements im Saponehaus fertig werden, will Aepli das gerollte Glück dorthin mitnehmen. «Als Tapeten für die Wände», meint Mark Riklin.

Zum Schluss die Polizei

Riklin, Journalist und Soziologe, hat 2003 in St. Gallen die erste Meldestelle für Glücksmomente ins Leben gerufen. Die Idee dahinter sei, eine Wahrnehmung zu schaffen für das, was gelingt, erklärt er. In Zusammenarbeit mit Perspektive Thurgau besteht seit vergangenem Oktober die schweizweit erste Online-Meldestelle. Ebendieses Angebot steht Pate für die gestrige Aktion in Frauenfeld, die am Ende sogar noch von zwei pflichtbewussten Kantonspolizisten kontrolliert wird. Die Bewilligung der Stadt ist aber schnell zur Hand. Glück gehabt.

MURGSPRITZER

Ruhe und Ordnung, zum Glück

Mathias Frei

Zustände haben wir in Frauenfeld. Da rottet sich an einem frühlingshaften Freitagnachmittag ein Mob von zwei Dutzend Leuten beim Sämannsbrunnen zusammen. Die Stadtverwaltung ist schon in Wochenendstimmung. Das Rathaus wäre schnell gestürmt. Das sind sicher Randalierer. Noch verhalten sie sich verdächtig ruhig. Holzstühle stehen aber bereit, um wehrlose Passanten zu verprügeln. Sogar eine Schreibmaschine hat einer mitgebracht – als Wurfgeschoss. Wahrscheinlich Wutbürger oder junge Anarchisten? Jeden Moment könnte die Situation eskalieren, könnte der erste Molotowcocktail fliegen. Dann endlich taucht die Polizei auf – kurz bevor gefühlt die Chaostage ausbrechen. Sie sorgt sofort für Ruhe und Ordnung.

Glück gehabt. Es war nur eine Aktion zum Internationalen Tag des Glücks. Mit dabei waren Stadträtin Elsbeth Aepli und Mark Riklin, der Erfinder der Meldestelle für Glücksmomente. Die Aktion war von der Stadt bewilligt. Das konnten die zwei Polizisten ja nicht wissen. Wahrscheinlich hatte sie ein besorgter Bürger angerufen. Was sie auch nicht wissen konnten: dass nachmittags auf der Zürcherstrasse in der Altstadt Fahrverbot gilt. Zum Glück gab das keine Busse, meine Herren.

Die Meldestelle für Glücksmomente wird mit finanzieller Unterstützung des Kantons Thurgau umgesetzt von

Illustrationen: Antonia Bannwart, Tisato & Sulzer GmbH